lockdown momente

pandemie fotografie/lockdown momente

so plötzlich sich die alltagsroutine veränderte, stellte sich schleichend ein pelzig anfühlender neuer trott ein. seltsam sanft auf und abrollende wellen aus tag und nacht, schlafwandlerisch, verworren wie eine rätselhafte musik: verwehte klänge längst abgelegter instrumente, nur die gleichförmigen bewegungen der musiker wollen nicht enden.
abends sterbe ich, morgens werde ich wiedergeboren, aber das zwischenreich der nacht ist etwas anderes, jeder deutung sich entziehendes. die träume des stärkenden schlafs wirken wie nur geliehen, scheinbar gehören sie mir nicht allein.
jucken, kratzen, jucken, kratzen, mehr jucken, noch mehr kratzen und so weiter, „lachen ohne ende…“* fußpilz war noch mit das beste in dieser zeit, in der wir zu inseln wurden in einem virtuellen ozean.

* mit dieser Floskel beendete Martin gerne seine Ausführungen in vertrauter Runde. Wir sahen uns nicht mehr häufig in den zurückliegenden Jahren. Dennoch war er wie so oft guter Dinge und optimistisch gestimmt – was seine zukunft betrifft, obwohl seine momentane Lage sehr unerfreulich war – draußen bei angenehmem Frühlingswetter voriges Jahr, bei unserem letzten Kaffee. Wir sprachen über die perspektiven. im Verlauf dieses Gesprächs ging es nebenbei auch um meine geplante Ausstellung 9/11 and other incidents im Hair Cafe, wobei ich beiläufig eine unbestimmte Sorge erwähnte, in Erwartung eines Unglücks in Verbindung mit dem nahenden 20. Jahrestag der Anschläge auf das WTC. Im Verlauf des Jahres mailten wir uns noch das eine oder andere mal, aber es ist unser letztes Treffen geblieben… denn er starb völlig unerwartet am 11. September 2021, was ich über viele Ecken erfahren habe. Martin hatte 600 facebook-Freunde, einige haben davon Notiz genommen. er lebte allein und wurde anonym beerdigt. r.i.p.

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während der pandemie sind freunde, verwandte und bekannte gestorben, beziehungen wurden auf die probe gestellt. mit diesem eher unguten grundgefühl, unter dem eindruck der im lockdown veränderten alltagswahrnehmung und sich neu einstellende verhaltensweisen hinterfragend, begann ich in der umgebung nach motiven zu suchen, die (m)eine stimmung transportieren und dem unerklärlichen irgendwie ausdruck verleihen sollen. diese zwischen mai 2020 und anfang 2022 gemachten aufnahmen entstanden zumeist hier vor ort in karlsruhe, häufig in seitenstraßen, auf brachen, im niemandsland, den blick gerichtet auf die gefühlt rapide zunehmenden verwerfungen um uns herum, die ähnlich den kanten und aussparungen einer imanginären modelleisenbahnlandschaft entstehen, auf der überspitzt formuliert demiurgenpranken wie trunken herumwerkeln. mir, dem voyeurisistischen betrachter, ergeht es wohl ähnlich wie der schlafenden im kassenhäuschen des erstarrten kettenkarusells, an einem regentag vergeblich auf kinder wartend, so erscheint uns in dem moment sein stetes kreisen wie ein fernes echo. in der zusammenfassung sind diese eindrücke zu einer art tagebuch, einem visuellen erinnerungsbuch geworden, wenn man so will meine reise in 80 seiten um die pandemie, titel: pandemie fotografie/lockdown momente*. eine auswahl dieser Fotos, mit dem schwerpunkt graffity auf dem areal-c, war anfang 2022 in der gleichnamigen ausstellung im the hair cafe zu sehen und parallel dazu in einer schau in der radlerhalle im gewerbehof.

herzlichen dank an amanda, betty, berthold, patrick und sergej vom the hair cafe, yuji & radlerhalle, allen künstlern, markus jäger & dailysign und den fantastischen sprayern vom areal-c der stadt karlsruhe. dieses weitläufige gelände muss man als zeugnis der nachkriegszeit betrachten, denn es beherbergte als teil des paul-revere-village, vulgo amisiedlung, u.a. die versorgungseinrichtungen der us-army und die zugehörigen hangars des angrenzenden alten flugplatzes, schauplatz großer nato-reforger-manöver noch in den 1980er jahren. seinerzeit war es off limits, gegenwärtig wird es dem erdboden gleich gemacht, wohnungen sollen entstehen. den mir bis dato unbekannten streetart-künstlern, die hier mit ihrer flüchtigen kunst auf so großartige weise ihre signaturen hinterließen, gebührt besondere aufmerksamkeit. dank auch an alle nicht genannten für ihre unerlässliche hilfe und inspiration zum projekt. es ist dem südafrikanischen musiker larry-joe, harald, martin und hanspeter gewidmet. vertrautes, orte und freunde, die schneller verschwinden als wir es registrieren und verarbeiten können. rip.

j s-f, april 2022

*das buch „lockdown momente – pandemie fotografie“ ist auf wunsch erhältlich, hardcover matt, 30×30 cm, 82 seiten signiert. preis 140 euro, zzgl. Versand